Rothnaußlitzer Originale
(Erinnerungen von Walter Hinz)

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Vor einiger Zeit las ich in einer Zeitschrift, dass Originale auszusterben drohen. Man bezog sich dabei auf Menschen, besonders in den Dörfern, die durch ihre Besonderheiten oder Einmaligkeiten im Laufe der Zeit aufgefallen waren und sich im Gedächtnis der Menschen eingeprägt hatten.

 Ich dachte nach über unser Dorf und seine Menschen. Zwar vermag ich nur den Zeitraum von etwa 50 Jahren zu überblicken, doch ich kam zu der Erkenntnis, dass es auch in unserer Mitte Menschen gegeben hat, die durch ihre Originalität auffielen und deren Namen und Taten ich in Erinnerung bringen möchte, damit sie nicht gar zu schnell in Vergessenheit geraten.

Doch wo beginnen? Denn ich weiß, dass meine Darstellungen nicht vollständig sein können und mancher sagen wird: „den oder jenen hat er doch vergessen“. Nun, beginnen wir also mit unserer, damals noch bestehenden Gaststätte „Elefant“. Sie war schon ein Original, die alte, verräucherte Gaststube. In der Mitte des Raumes das Billard und an der Wand ein altes Klavier. Für das leibliche Wohl sorgte die Tochter des Wirtes, die Schuster-Grete, wie sie allgemein genannt wurde. Der Wirt aber, Bruno Schuster, war ein strenger Herr, der mit seinem Sohn Helmut die Gaststätte leitete. Kam dann am Abend etwa der damalige Leiter unserer Poststelle, Friedrich Schramm, kurz Schramm-Friedrich genannt, auf ein Bier in die Gaststube und setzte sich dann gar noch an das Klavier, um ein paar alte Lieder zu spielen, dann war bald die Stimmung komplett. Übrigens war Herr Schramm ein wirkliches Original. Er kannte jeden und war bei Wund und Wetter treu und brav mit seiner Posttasche unterwegs und immer zu einem Spaß aufgelegt.  

Doch in die Gaststube kamen noch andere Originale, so unser damaliger Bürgermeister (1950), Walter Rösler, im Volksmund „Dr. Walter“ genannt. Er sprach stets sehr ruhig und bedächtig und belehrte gern junge Leute über die Kunst der Liebe. Daher sein Spitzname. Doch noch einmal zurück zu Schramm-Friedrich. Saß er in der Gaststube am Klavier und es kam Emil Matzke dazu, dann ertönte bald Gesang bis auf die Straße, denn der Emil hatte eine wirklich schöne, wohlklingende Stimme.

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Verlassen wir die Gaststätte, so stehen wir vor dem damaligen Karosseriegebäude Robert Bär, geleitet von den drei Brüdern Bär. Die Haupt- und Respektperson war jedoch der älteste der Brüder, Max Bär. Kann man ihn vielleicht nicht unbedingt als Original bezeichnen, so muss doch gesagt werden, dass er eine weit und breit bekannte und geachtete Persönlichkeit war. Ein Original aber war unbedingt der zum Betrieb gehörende Kutscher Robert mit seinem Schimmel. Nur wenigen wird es bekannt gewesen sein, dass Robert auch einen Familiennamen hatte und eigentlich Oelschlägel hieß. Für seinen Schimmel tat er alles und sollte er selbst auf sein Frühstück verzichten, sein Schimmel bekam seine Ration.

Da gerade die Gespanne an der Reihe sind, muss wohl auch der Kutscher Otto Schöne Erwähnung finden. Tag für Tag bei Wind und Wetter holte er mit seinem Dienstherrn, dem Schmiedemeister Karl Lindwor, später mit dessen Schwiegersohn, Rudolf Michauk, die Milch in Rothnaußlitz zusammen und fuhr sie zur Molkerei nach Leutwitz. Nicht selten blieben sie im Winter in der Hohle am Leutwitzer Berg stecken und mussten in mühseliger Arbeit ausgeschaufelt werden.

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Ja, und nicht vergessen möchte unseren „Wasserkopp“. Dieser Spitzname war gar nicht bösartig gemeint, denn Max Biesold, so sein bürgerlicher Name, war ein tüchtiger Steinmetz und in seine Jugend viele Jahre zu See gefahren. Er besaß ein umfangreiches Wissen über Seefahrt und Sternkunde, über die er gern erzählte. Jetzt aber, in den 50er Jahren war er Landwirt und bestellte seine Felder mit Hilfe eines Ochsengespanns. Manchmal aber blieb unser Max auch in der Kneipe sitzen, weil ihn der Durst arg plagte.

Damit dann der arme Ochse draußen nicht zu kurz kam, bekam auch er einen Eimer Bier. Manchmal ging dann die Heimfahrt nicht ganz glatt vonstatten, aber heimgekommen ist er immer.

Zum Abschluss noch ein Sprung nach Pottschapplitz, wo damals der Bauer und Fuhrunternehmer Arno Jessing wohnte. Er war freundlich und hilfsbereit und hatte meist schöne Pferde. Allerdings trank er hin und wieder etwas über den Durst und schlief dann wohl auf seinem Wagen ein. Die Pferde aber wussten den Weg zum Stall und brachten ihn immer sicher nach Hause.

Noch an viele Personen, die durch ihre Eigenheiten zu Originalen wurden, wäre zu erinnern. Hoffen will ich, dass Ihnen diese kleine Auswahl Freude bereitet hat und Ihnen eine Anregung ist, sich zu erinnern und Dinge und Personen, die Ihnen wert erscheinen, vor dem allzu schnellen Vergessen zu bewahren.

Walter Hinz

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